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Nachrichten | 29.12.2000

Als sei nichts gewesen

von Aus Bonn berichtet Ulrich Rosenbaum



Bonn - An der Reuterbrücke, die auf den Bundeskanzlerplatz führt, ein seltsamer Anblick: Palästinensische Demonstranten mit Spruchtafeln. Ist ihnen entgangen, dass hier kein Politiker mehr vorbeikommt?

Gegenüber dem "Haus der Geschichte", wo die Bonner Republik konserviert ist, Baulücken. Mehrere Häuser sind abgerissen. Übrig geblieben aber leer sind noch die Landesvertretungen. Die von Baden-Württemberg möchte die Stadt Bonn kaufen, um hier die drei Kilometer entfernt angesiedelte Depandance des Deutschen Museums München unterzubringen. Die attraktive Bonner "Museumsmeile" wäre abgerundet. Doch die Schwaben pokern. Bange blickt man nach Berlin: Wie wird es künftig mit der Nach-Hauptstadtförderung aussehen?

In der Dahlmannstraße, vor dem ARD-Studio, treffe ich Jürgen Kramer vom WDR. Sie sind jetzt nur noch zu zweit in dem großen gelben Kasten. "Hier ist nichts mehr los", sagt er. "Das kannst du alles vergessen." Kurz darauf läuft mir Helmut Hohrmann vom Deutschlandradio über den Weg. Er hält das etwa 70köpfige Bonner Korps der Bundespressekonferenz zusammen. "Es ist zwar ruhiger geworden, aber es passiert noch immer eine Menge", sagt er. "Ich kann den Politikern nur raten, hier Pressekonferenzen zu Spezialthemen zu machen. In Berlin gehen sie doch nur unter." Im Pressehaus arbeiten noch in den beiden unteren Etagen Journalisten. Ihr stiller Triumph: Gerhard Schröder und seine Doris kamen dieses Mal zum Bonner und nicht zum Berliner Presseball. Es war wie zu alten Zeiten.

Ein paar Schritte weiter die ehemalige Hamburg-Vertretung, im Sommer punktgenau zum Umzug nach Berlin gut verkauft. Die Hamburger Insignien sind weg, die Brahms-Büste am Eingang ebenfalls, und ein Schuttcontainer verrät: Hier wird umgebaut. Gegenüber wächst der 500 Meter lange "Schürmann-Bau" in die Höhe. In zwei Jahren soll von hier die "Deutsche Welle" in alle Welt senden. Daneben Bonns derzeit größte und höchste Baustelle: Der Post-Tower, die künftige Zentrale der Post AG. Bonn baut.

Unten am Rhein stehen immer noch die Container der Ladenzeile. Die Parlamentsbuchhandlung macht gerade Totalausverkauf. Dafür hat Lebensmittel-Kaspers seine Imbiss-Ecke ausgebaut. Ich traue meinen Augen nicht: Sitzt da doch Horst Ehmke, einst Kanzleramtsminister, und verzehrt eine Bratwurst. "Ich habe einen Termin beim Bundeshausfriseur", sagt er, als sei alles wie immer.

Im alten Plenarsaal aber summt und brummt es wieder. Den hat der Bund der Stadt Bonn geschenkt, und nun vermietet ihn die Maritim-Hotelgruppe zu 25 000 Mark am Tag für Kongresse. Mit Erfolg: Gerade tagt dort die Welt-Wüstenkonferenz. Im Foyer treffe ich Erich Stather, Staatssekretär im Entwicklungs-hilfe-Ministerium, das weiterhin in Bonn den Hauptsitz hat. "Das geht auf Dauer nicht gut", sagt er.

Gegenüber ein Symbol der Bonner Republik: Der ovale Zeitungs-kiosk. Das einst internationale Presse-Angebot ist zusammengeschnurrt. Doch der Kiosk wird bleiben, denn der Denkmalschützer hält seine Hand drauf.

Abends im "Sassella", dem einstigen Stamm-Italiener von Helmut Kohl. Inzwischen muss man hier wieder reservieren. Am Nebentisch eine Runde reiferer Herren. "Die neue Ministerin hat mir geschrieben, sie hätte mich gerne behalten, aber ich sei ja nun einmal politischer Beamter", erzählt einer, der das große Wort führt. Nun pflegt er mit zehn- bis zwölftausend Mark im Monat seinen Vorgarten.






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