Alles, was ein Politiker so zum Lesen braucht
Die "Parlamentsbuchhandlung" versorgt die
Abgeordneten mit Lesestoff - in Bonn und Berlin
Als hätte Walter Leiser Kiep es geahnt. Vor acht Wochen
kam sein Buch "Was bleibt ist große Zuversicht" auf den Markt und
schon ist es im Laden von Ben Maderspacher ein Renner. Natürlich. In
seiner "Parlamentsbuchhandlung" besteht die Stammkundschaft
hauptsächlich aus Politikern.
Hier gibt es neben Rudolf Scharpings "Wir dürfen nicht
wegsehen" mit Handsignatur auch das Elektro-Spielzeug "Antigotchi"
mit dem Antlitz des Kanzlers. Gerade ruft Gerhard Schröders
Sekretärin an: Ben Marderspacher kann des Kanzlers neuestes Werk
"Und weil wir unser Land verbessern ...", nun mit Autogrammen
versehen, abholen. Das Buch verkauft sich bislang nicht besonders,
mal sehen, was die Unterschriften helfen. Neben Politiker-Büchern
gibt es aber auch Bücher hauptberuflicher Autoren. Tucholsky,
Salinger oder Klaus Bittermanns "It's a Zoni" liegen gleich daneben.
Das Original-Pult von Helmut Schmidt steht samt Stuhl im hinteren
Verkaufsraum.
Die "Parlamentsbuchhandlung" hat Tradition. In Bonn
steht am Langen Eugen ein Container, darin: die "Buchhandlung am
Bundeshaus". 1975 gegründet, musste das Geschäft wegen
Umbaumaßnahmen umziehen. Eigentlich war die kleine Bude nur als
Provisorium gedacht, für ein Jahr. Das war 1991. Zwei Hochwasser
konnten dem Geschäft nicht den Garaus machen. Dann kam der Umzug,
und Ben Maderspacher - eigentlich verbissener Berlin-Gegner -
öffnete sich zwangsläufig für die Hauptstadt. Im August 1999 wurde
die "Parlamentsbuchhandlung" in der Dorotheenstraße 90 eingeweiht,
im Hinterhof des Hauses, in dem der oberste Buchzensor der DDR tätig
war. Maderspacher, dessen Stimme noch stark von rheinischem Akzent
gefärbt ist, lebt mittlerweile ganz in Berlin.
Der Buchhändler ist mit seiner kompletten Kundschaft
umgezogen. Morgens steht er (oder sein Kollege) mit dem
Zeitungswagen vor dem Reichstag und versorgt die Abgeordneten mit
Nachrichten. Die kaufen meist die überregionalen Tageszeitungen.
Nach dem Bonner "General Anzeiger" fragt mittlerweile niemand mehr.
Unzufrieden ist Maderspacher allein mit der Lage seines
Geschäftes. Den Weg in den zweiten Hinterhof fällt vielen
Abgeordneten bislang schwer. Meist bestellen sie darum per Telefon,
was sie lesen möchten, die Bücher werden am nächsten Morgen auf den
Schreibtisch geliefert. Hier, mitten im Regierungsviertel, brauchen
sich der Buchhändler und seine Abgeordneten gleichermaßen.
fröm
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